Was braucht es für funktionierende Demokratie? Diese grundlegende Frage stand im Mittelpunkt des ersten Workshops unseres Fachbeirats „Demokratieverständnis und Grundsatzfragen“. Er fand am 27. August in der „Austrian School of Government“ (ASG) in Wien statt. Die hybrid durchgeführte Veranstaltung verband Präsenzteilnehmende mit virtuell zugeschalteten Expert:innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Den Hauptimpuls brachte Peter Webinger ein. Er ist Generaldirektor im österreichischen Innenministerium und Öl beschäftigt sich intensiv mit Fragen stabiler Staatlichkeit. Webinger arbeitete den wichtigen Zusammenhang zwischen Demokratie als Herrschafts- bzw. Regierungsform und Republik als jener Staats- bzw. Gesellschaftsform heraus, die es brauche, damit Demokratie gedeihen könne. Im Sinne der „res publica“ müsse in der Republik das öffentliche über das private Interesse gestellt werden.
Aufgrund rascher Veränderungen, wie durch Migration oder Digitalisierung stelle sich jedoch die Frage, wie die notwendige Gemeinsamkeit in der Bevölkerung gewährleistet werden könne, so Webinger, der in seinen Ausführungen näher auf diesbezügliche Herausforderungen einging.
Es brauche nicht nur gleiche Rechte, sondern ebenso gleiche Pflichten, sagte Eia Escher, Expertin für Leadership und Management aus Zürich. Sie sprach zudem Voraussetzungen für Teilhabe an, etwa Sprache als Mittel zum Erschaffen und Gestalten von Verbundenheit.
Wolfgang Peschorn, der frühere Bundesminister für Inneres und jetzige Chef der Finanzprokuratur in Österreich (sie ist eine Art Anwaltskanzlei der Republik), unterstrich die Bedeutung eines funktionierenden Rechtsstaates für die Demokratie. Dieser müsse sich an die selbst gegebenen Regeln halten, die möglichst einfach und klar zu sein sein hätten. Dementsprechend seien alle staatlichen Organe gefordert, sich ohne Ansehen der Person stets rechtsrichtig zu verhalten.
Näher zu erörtern sei, wie sich empirische Befunde zu verschiedenen Sinus-Milieus mit Idealen demokratischer Teilhabe verbinden lassen, betonte der Philosoph Lucas John aus Heidelberg. Demokratie dürfe kein Elitenprojekt sein.
Eine wichtige Voraussetzung für positive demokratische Gestaltung seien auch zukunftsfähige Verwaltungen mit dem dafür notwendigen Personal, sagte Christoph Gappmaier, Verantwortlicher für Recruiting bei der Salzburger Landesverwaltung und Absolvent des Materstudiums für Positive Psychologie in Berlin. Der inneren Führung der Verwaltung komme dabei eine maßgebliche Rolle zu. Das bestätige eine kürzlich durchgeführte Delphi-Studie zu „Positive Public Leadership”, so Gappmaier.
Am Beispiel des Recruiting des Landes Salzburg zeige sich, wie erfolgreich Verwaltung im Wettbewerb mit privatwirtschaftlich geführten Unternehmen sein könne: Gemäß einer unabhängigen Recruiting-Studie sei es dem Land Salzburg als erster österreichischen Verwaltung überhaupt gelungen, unter den TOP 10 von ca. 1.500 der größten und namhaftesten Unternehmen im gesamten DACH-Raum zu landen.
Weiters erörtert wurden zunehmende Herausforderungen durch gegensätzliche Werte-Vorstellungen und Menschenbilder im globalen Kontext. Während sich Menschen in Autokratien der „richtigen“ Ideologie oder „richtigen“ Form der Religionsausübung unterwerfen müssten, ermögliche und erfordere Demokratie die Achtung, den Schutz und die Wertschätzung von Menschenwürde, individueller Freiheit und der sie ermöglichenden Menschenrechte. Demokratie setze damit ein menschenwürdiges Menschenbild voraus, brachte das Wilhelm Sandrisser, Initiator und Vereinsvorsitzender von „Empowering Democracy“ aus seiner Sicht auf den Punkt.
Die Ergebnisse der Diskussionen beim Workshop werden für die Gestaltung der Auftakt-Veranstaltung von „Empowering Democracy“ am 13. November in Wien genützt. Darüber hinaus bilden sie vor allem die Grundlage für weiterführende Arbeiten zum Bereich „Demokratieverständnis und Grundsatzfragen.“ Darauf aufbauend wird auch entschieden werden, welches Thema zunächst ganz konkret in einem „Future Lab“ länderübergreifend bearbeitet werden soll.
Der erste Workshop zum Fachbeirat „Demokratieverständnis und Grundsatzfragen“ wurde vom Vorsitzenden der Initiative „Empowering Democracy“ Willi Sandrisser moderiert. Künftig zuständig für die Koordination im Fachbeirat sind Pia Schubaschitz (Österreich), Lucas John (Deutschland) und Eia Escher (Schweiz).